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Minimalismus jenseits von Dingen: Nicht-Materielles ausmisten

© Curtis MacNewton on Unsplash
© Curtis MacNewton on Unsplash

Seit ich den Minimalismus für mich entdeckt habe, habe ich nicht nur geschätzt die Hälfte meines Haushalts entrümpelt. Auch andere Bereiche meines Lebens habe ich auf den Prüfstand gestellt und nur das behalten, was ich brauche, nutze oder liebe.

 

Ausmisten und Minimalismus waren anfangs für mich vor allem mit Materiellem verbunden. Alles hat damit begonnen, dass ich meine Wohnung entrümpelt und mich von unnötigen Dingen befreit habe. Das tue ich bis heute – schließlich schleichen sich immer wieder Sachen in mein Leben, die ich eigentlich nicht will oder brauche, oder ich stelle fest, dass ich mich von etwas trennen möchte, das ich früher lieber behalten habe. Auf diese Weise habe ich seit Beginn meines minimalistischen Lebens Anfang 2017 geschätzt die Hälfte der Dinge in meinem Haushalt reduziert.

 

Das hatte natürlich einen großen Effekt auf mich – sonst hätte ich den Minimalismus vermutlich nicht weiterverfolgt. Mein Leben wurde überschaubar, mein Blick klarer, mein Dasein freier. Dadurch setzte sich ein positiver Regelkreis in Gang: Je mehr Klarheit, desto leichter fällt es, Nicht-Wesentliches zu erkennen, das, was einen nicht glücklich macht, und sich wiederum davon zu befreien. Und das betrifft nicht nur Dinge, sondern auch andere Bereiche des Lebens. Denn auch alles Nicht-Sachliche, das unser Leben füllt, darf kritisch betrachtet werden: Bringt es mich weiter? Erfüllt es mich? Oder ist es ein unnötiger Zeit- und Energieräuber? Kostet es Geld, das ich nicht investieren möchte? Stellt es Zwänge dar, denen ich nicht unterliegen möchte?

 

Meine minimalistische Überzeugung – mein Leben nur mit dem zu füllen, was ich brauche, nutze oder liebe – hat mich dazu gebracht, auch in folgenden Kategorien auszumisten:

  • Soziale Beziehungen
  • Arbeitszeit
  • Zeitfresser wie:
  • Newsletter
  • Soziale Medien
  • Nachrichten
  • Schlechte Gewohnheiten
  • Fixkosten

Soziale Beziehungen

Freundschaften und Bekanntschaften sind sehr wichtig. Doch nicht immer tragen sie zu einem glücklichen Leben bei. Meiner Meinung nach sollte man sie daher ruhig kritisch beleuchten und ausmisten, wenn sie einem auf Dauer eher schlecht als gut tun. Wie ich hier vorgehe, habe ich in einem eigenen Artikel beschrieben.

Arbeitszeit

Wozu mehr arbeiten, als ich müsste? Klar, Geld kann man zwar immer irgendwie brauchen (ich spare gerne, weil mir das Sicherheit gibt), aber andererseits möchte ich mein Lebensglück, das ich vor allem in Muße und Freizeit finde, nicht immer auf später (und sicher nicht erst aufs Rentenalter!) verschieben. Daher habe ich meine Arbeitszeit so weit gekürzt, dass ich bequem davon leben kann, aber trotzdem einen freien Tag in der Woche habe. Minimalismus macht's möglich!

Zeitfresser

Das Schöne am Minimalismus ist, dass sich Unwesentliches oft selbst abschafft. Darunter fallen vor allem Zeitfresser. Bei mir betrifft das zum Beispiel meine Morgenroutine: Ich habe einiges an Kosmetika ausgemistet (weil sie nicht gut für mich waren oder ich sie nicht wirklich brauchte/mochte, aber trotzdem benutzte), wodurch sich die Zeit, mich morgens fertig zu machen, verringert hat. Putzen geht schneller, weil es in meiner Wohnung weniger abzustauben gibt und weniger weg- und wieder hingeräumt werden muss, wenn man Ablagen abwischen möchte. Es gibt aber auch Zeitfresser, die man ganz bewusst ausmisten kann. Zum Beispiel E-Mails (vor allem Newsletter), soziale Medien oder Nachrichtenkonsum, auf die ich jeweils gesondert eingehen will:

Newsletter

Lange wurde mein privater E-Mail-Posteingang überflutet von Newslettern und Werbemails, manchmal war auch eine Pressemitteilung dabei. Ich habe sie bis auf sehr wenige Ausnahmen alle abbestellt. Jedes Mal, wenn ich eine solche E-Mail nun bekomme, überprüfe ich kritisch – das geht mittlerweile ganz automatisch –, ob ich sie wirklich brauche oder möchte. Die wenigen Newsletter, die ich noch erhalte, sind von Bloggern oder Podcastern, die ich sehr schätze und nicht missen möchte, weil sie guten und für mich inspirierenden, nützlichen Content schaffen. Was mich inspiriert und mir nützt, ändert sich mit der Zeit, und so kommt es auch ab und zu vor, dass ich einen ehemals liebsten Content-Creator „ausmiste“.

Social Media

Als Blogger verspürt man einen gewissen Druck, in sozialen Medien präsent zu sein. Auch die Blogger und Podcaster, die meine Vorbilder sind, präsentieren sich dort mehr oder weniger intensiv: Manche bedienen alle möglichen Kanäle, andere konzentrieren sich auf ein oder zwei Plattformen.

 

Auch ich habe anfangs gedacht, hier ist mehr gleich besser, war auf Facebook, Twitter und Google+ unterwegs, privat zusätzlich auf Instagram, Pinterest und YouTube. Mit meinem Blog mehrere Kanäle zu bedienen, hat mich aber eher Überwindung gekostet, mit dem Herzen war ich nicht dabei. Heute habe ich erkannt, dass das nicht zielführend und auch nicht authentisch ist. Natürlich wäre es für die Bekanntheit und das Wachstum meines Blogs von Vorteil, in vielen sozialen Medien aktiv zu sein. Doch das deckt sich eben nicht meiner Lebenseinstellung: Ich möchte mich aufs Wesentliche konzentrieren. Mein Blog ist ein Herzensprojekt, das nicht zur Arbeit, die eben gemacht werden muss, mutieren soll. Natürlich ist mir bewusst, dass ich mehr tun könnte, um das Wachstum des Blogs zu fördern, seine Leser zu vervielfachen. Aber Wachstum um jeden Preis entspricht nicht meiner Überzeugung. So wächst mein Blog eben gaaaanz langsam und organisch.

 

Facebook ist mittlerweile die einzige Plattform, auf der ich meinen Blog präsentiere. Auch privat halte ich mich hier regelmäßig auf, um in Minimalismus- und anderen Gruppen aktiv zu sein. Ich bin allerdings mit niemandem befreundet und erhalte so auch keine Benachrichtigungen darüber, was Bekannte, Freunde oder Menschen, die ich womöglich nie live getroffen habe, so treiben. Und ich wage zu behaupten: Ich verpasse nichts! Vor allem komme ich sehr selten in Versuchung, mir mehr als ein paar Minuten am Tag die Zeit auf FB zu vertreiben. Twitter und Google+ habe ich aufgegeben, Instagram, Pinterest und YouTube nutze ich weiterhin passiv, aber eher sporadisch alle paar Tage bis Wochen.

Nachrichtenkonsum

Das mag manchen schocken: Ich lese/höre/schaue mittlerweile kaum noch Nachrichten. Das ist umso ironischer, da ich vor einigen Jahren selber auf einem sehr aktualitätsgetriebenen News-Portal tätig war und logischerweise immer auf dem Laufenden bleiben musste. Heute bin ich sehr dankbar, dass das nicht mehr der Fall ist: Für meinen Job als Online-Medizinredakteurin brauche ich das Wissen über aktuelles Tagesgeschehen nicht mehr. Mir persönlich reicht ein grober Überblick: Ich öffne etwa einmal täglich die Spiegel-Online-App und überfliege die Teaser. Das genügt, um über das Wichtigste auf dem Laufenden zu bleiben. Auf höchstens ein bis zwei Artikel klicke ich, um weiterzulesen.

 

Worum ich einen großen Bogen mache, sind die aufmerksamkeitsheischenden „Potato chip news“ (Gretchen Rubin, siehe Link-Tipps unten). Die Themen drehen sich meistens um Aufreger, Sex oder „Unglaubliches“. Sie versuchen, unsere Emotionen anzuzapfen, liefern aber wenig wesentlichen Inhalt. Daher empfinde ich sie als besonders zeit- und energieraubend.

 

Für viele ist ein derart eingeschränkter Nachrichtenkonsum sicher ein No-go. Man muss als Bürger doch wissen, was vor sich geht! Diese Meinung verstehe ich voll und ganz. Trotzdem entscheide ich mich dafür, es anders zu machen. Warum? Wenn ich mich zu sehr mit den hauptsächlich negativen Nachrichten beschäftige, deprimiert mich das. Mich überkommt Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, oft aber auch Ärger, dass die Dinge so sind wie sie sind, dass Menschen so handeln wie sie handeln. Ich möchte mich aber nicht hoffnungslos, ohnmächtig und wütend fühlen. Daher reicht es mir, mir einen Überblick zu verschaffen, ohne mich emotional zu involvieren. Ich handhabe das nun seit etwa zwei Jahren so. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass man das Wichtige immer mitbekommt – wenn auch nicht so schnell wie alle, die Eilmeldungen per Push-Dienst aufs Smartphone bekommen. Und ich ziehe mir eben nicht jeden noch so kleinen Nachdreh rein, sodass das Thema immer wieder frisch an mir nagt.

Schlechte Gewohnheiten

Darüber kann man ganze Bücher schreiben und viele haben das auch gemacht (etwa Gretchen Rubin, siehe unten). Jeder wird schon die Erfahrung gemacht haben, dass es oft überhaupt nicht einfach ist, Gewohnheiten zu ändern – vor allem, wenn es sich um schlechte Gewohnheiten handelt, die man gerne loswerden will. Trotzdem betrachte ich auch sie durch meine minimalistische Brille: Ich möchte Verhaltensmuster, die mir nicht gut tun und keinen wesentlichen Beitrag zu meinem Lebensglück leisten, auf Dauer nicht mit mir herumschleppen.

 

Etwas überstürzt ändern zu wollen, hat bei mir allerdings selten zum Erfolg geführt. Die Entwicklung guter Gewohnheiten beziehungsweise die Abschaffung von schlechten geht bei mir eher in kleinen Schritten voran. Manchmal dauert es Monate oder Jahre, bis sich neue Verhaltensweisen in meinem Alltag etabliert haben. Und ich finde es hilfreich, sich immer nur auf eine Gewohnheit zu konzentrieren, statt viele Verhaltensmuster auf einmal modifizieren zu wollen.

 

Möchte ich Gewohnheiten etablieren, verändern oder abschaffen, haben sich zwei gegensätzliche Vorgehensweisen bewährt:

 

Bei manchen Veränderungen hilft es, nicht ganz so streng mit mir zu sein, etwa beim Thema Ernährung: Ich ernähre mich überwiegend vegetarisch, verurteile mich aber nicht, wenn ich mal Lust auf Fleisch habe und dieser auch nachgehe. Wichtig ist mir, dass es grob in die – für mich – richtige Richtung geht.

 

Bei anderen Dingen fällt es mir dagegen leichter, einen radikalen Schnitt zu machen. Zum Beispiel beim Thema Alkohol. Mir Limits zu setzen (nur einmal die Woche oder ähnliches) verlangt mir viel mehr Disziplin ab, als einfach komplett aufzuhören. Ich muss die Entscheidung „Alkohol ja oder nein?“ ansonsten nämlich immer wieder aufs Neue fällen. Eine einzige große Entscheidung zu treffen, kostet anfangs zwar mehr Überwindung, ist hier aber auf Dauer leichter, weil ich nicht bei jeder Gelegenheit überlegen muss, ob ich etwas trinken will/soll oder nicht. Die Entscheidung ist für mich gefallen – was nicht heißt, dass ich sie nicht irgendwann wieder ändern kann: Ich trinke keinen Alkohol.

 

Das klingt simpel, tatsächlich ist diese Entscheidung aber über Jahre herangereift. Immer wieder habe ich mit dem Gedanken gespielt, Alkohol komplett aufzugeben. Allerdings nie ernsthaft, weil ich davor zu großen Respekt hatte. Also habe ich Gründe gesucht, warum ein solcher Entschluss gar nicht nötig ist, dass es Alternativen gibt (reduzieren etc.). Aber irgendwann dachte mir: „Warum verarscht du dich selber? Du weißt, dass es die beste Entscheidung wäre, einfach ganz aufzuhören! Das heißt ja nicht, dass du sie sofort umsetzen musst.“ In diesem Moment habe ich entschieden, nicht mehr nach Rechtfertigungen zu suchen, sondern mir selbst die Wahrheit zu sagen: „Ich möchte irgendwann komplett auf Alkohol verzichten.“ Damals war ich noch nicht bereit dazu, Taten folgen zu lassen. Also erlaubte ich mir, erst einmal wie gehabt weiterzumachen.

 

Ich habe das Gefühl, dass es viel Druck von uns nehmen kann, wenn auf diese Weise die Entscheidung vom Handeln abgekoppelt wird: Ich kann jetzt etwas entscheiden, muss es aber noch nicht umsetzen. Wir sind nur Menschen! Wir haben Angst vor krassen Veränderungen. Daher lieber erst den Entschluss fassen und sich an diesen Entschluss gewöhnen. Das bereitet uns dann aufs Handeln vor. Irgendwann merkt man dann, wann der Zeitpunkt für Taten gekommen ist und es fällt nicht mehr so schwer. Für mich war diese Herangehensweise, auf die mich die Podcasterin Nicole Antoinette gebracht hat (siehe Link-Tipps unten), ein Game-Changer.

Fixkosten

Ich war schon immer sehr vorsichtig bei allem, was einen regelmäßigen finanziellen Beitrag erfordert. Ich habe mich nie in einem Fitnessstudio angemeldet, nie eine Zeitschrift abonniert und – bis auf sehr wenige – keine freiwilligen Versicherungen abgeschlossen. Daher gab es beim Thema Fixkosten für mich gar nicht so viel zu entrümpeln. Mir fällt auf Anhieb nur eine Auslandsreisekrankenversicherung für 8 Euro im Jahr ein, die ich gekündigt habe. Andere Abos oder Mitgliedschaften, die mir wirklich wichtig sind, behalte ich natürlich, etwa die Anmeldung in der Stadtbibliothek.

 

Auch wenn sie mich selbst also gar nicht so stark betreffen, wollte ich die Minimalisierung von Fixkosten in diesem Artikel trotzdem erwähnen. Denn in meinem Umfeld bekomme ich oft mit, dass sich Menschen durch monatliche, viertel- oder jährliche Beiträge finanziell binden, obwohl ihnen das oft nicht viel bringt. Auch wenn es vielen nicht so vorkommen mag, aber ein paar Euro hier, ein paar dort und das über Jahre – das summiert sich! Liest Du die Zeitschriften, die Du abonniert hast, wirklich? Nutzt Du Deine Mitgliedschaft im Alpenverein? Gehst Du wirklich ins Fitnessstudio? Wenn ja, super! Wenn nicht, dann gib Dein Geld für Dinge (und damit meine ich nicht nur Materielles, sondern vor allem Erlebnisse) aus, die Dir wirklich wichtig sind.

 

Fallen Dir noch Bereiche im Leben ein, die man ausmisten kann, um befreiter und glücklicher zu leben? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen – und ich bin sicher, die Journey-Community ebenso!

 

 

Bis bald

Deine Silke

 

Live lightly. Consume mindfully.


Meine Tipps für heute:

 

Ein gutes Buch über Gewohnheiten und wie man sie etabliert. Dazu beschreibt Rubin vier verschiedene Grundtypen und wie diese mit der Herausforderung, neue Gewohnheiten zu schaffen oder alte abzulegen, jeweils umgehen können.

Gretchen Rubin: Better Than Before: Mastering the Habits of Our Everyday Lives.

Auch auf Deutsch erschienen: Erfinde Dich Neu: Verändere deine Verhaltensmuster und werde glücklicher, produktiver und besser als je zuvor.

 

Die Content-Schaffenden, über deren E-Mails in meinem Posteingang ich mich nach wie vor freue:

  • David at Raptitude: Blogger über Achtsamkeit, Minimalismus, dessen Artikel mich jedes Mal durch ihre tiefe Einsichten in alles Menschliche flashen
  • Nicole Antoinette: Podcasterin (Real Talk Radio) mit wöchentlichem, sehr persönlichem Newsletter für alle, die sie auf Patreon unterstützen
  • Cait Flanders: ehemals Finanz- und Minimalismus-Bloggerin, heute noch mit wöchentlichem Newsletter
  • No Sidebar: Artikel verschiedener Autoren über Minimalismus
  • Courtney from Be More With Less: Eine der Koryphäen, wenn es um Content rund um Minimalismus geht


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